-Okapi, was hältst du von den Feierlichkeiten zum Jahresende?
-Meinst du Weihnachten?
-Ja, auch schon das Martinsfest und Erntedank/Thanksgiving… und natürlich Weihnachten.
-Ich verstehe die Frage nicht! sagt Okapi.
-Überall hört man schon Weihnachtslieder und sieht Weihnachtsdekorationen, aber es geht doch nur um Vermarktung. Und dazu werden Tiere gegessen.
Okapi seufzt. -Du weißt ja, da gibt es die „Tradition“! In vielen Kulturen war das Schlachten von Tieren ein zentraler Bestandteil von Festen oder Ritualen, die von den Vorfahren eingeführt wurden. Das Wiederholen dieser Rituale wird als ein Akt des Respekts gegenüber den Traditionen gesehen.
-Mag sein. Ich habe aber ein Problem damit. Erstens könnte ich selbst jederzeit als eßbar eingestuft werden... Zebra schaut um sich. -Die Luft scheint rein zu sein, sagt es dann.
-Und zweitens? fragt Okapi, an einem länglichen Blatt knabbernd.
-Zweitens wurden diese Traditionen und Rituale immer von Menschen für Menschen erfunden. Tiere sind dabei nur Mittel zum Zweck – sei es für Nahrung, symbolische Opfer oder kulturelle Identität. Mir fehlt einfach die Überlegung, wie ein Tier diese Situation "erlebt".
-In der Tat. Das Leiden der Tiere wird in solchen Ritualen oft als "notwendiges Übel" abgetan oder sogar romantisiert, indem es als Opfer mit spiritueller Bedeutung dargestellt wird.
-Das zeigt wieder, dass Sapiens sapiens ein zutiefst irrationales Wesen ist. Es behauptet zwar, von Logik und rational erreichten Erkenntnissen gesteuert zu sein – aber bei jeder Gelegenheit weicht es davon ab. Es ist gut erforscht, dass nicht nur Menschen ihr eigenes Leben bewusst wahrnehmen und erleben. Genau so sind Tiere Subjekte ihres eigenen Lebens. Und keine Objekte, mit denen man nach Belieben verfahren darf.
-Das Leugnen der anderen Subjektposition entspringt, neben bloßer Ignoranz, auch der Angst vor einer Reaktion! wirft Okapi ein.
-Was willst du damit sagen? fragt Zebra.
-Was würde passieren, wenn alle, die schlecht behandelt werden, das Wort und die Gelegenheit hätten, ihre Meinung dazu kundzutun? Es ist also einfacher, sie in einer untergeordneten Position zu halten. So wie auch andere Menschen in den Rang von Sklav*innen gedrängt wurden – und werden! – die dann, wie Tiere, nicht als vollwertige Personen betrachtet werden. Ihnen wird der Anspruch auf das grundlegende Recht auf Leben in Unversehrtheit genommen, weil sie eben keinen Subjektstatus haben.
-Du meinst also, wenn einem Lebewesen zugesprochen wird, Subjekt seines eigenen Lebens zu sein, ändert sich der Umgang? Zebra schaut nachdenklich drein.
-Zwangsläufig! Schau - es war zwar ein langer Kampf der verschiedenen Frauenbewegungen, aber sie machten deutlich, dass sie sehr wohl – schon immer, natürlich – Subjekte mit eigenem Willen und Vorstellungen sind. Sie haben es geschafft, dass Frauen wählen dürfen, studieren, arbeiten…
-Nicht überall! gibt Zebra zu bedenken. – Und es gibt auch einen Backlash!
-Das stimmt. Sie setzen aber ihren Kampf dafür fort. Absurd genug, dafür kämpfen zu müssen. Aber zurück zu den Tieren, die nicht gegessen werden wollen.
-Sehr gerne! Ich fasse zusammen: Aus einer modernen ethischen Sicht ist es schwer nachvollziehbar, wie das Töten eines Tieres argumentiert werden soll, wenn allgemein bekannt ist, dass Tiere fühlende Wesen mit einem Anspruch auf ihr eigenes Leben sind. Die Tötungstraditionen widersprechen also nicht nur dem Stand der Wissenschaft, sondern auch dem Anspruch vieler Menschen, ein bewußtes und einfühlsames Leben zu führen.
-Aber was kann man denn dann noch essen? fragt Okapi scheinheilig.
Beide lachen.
© Margarita Zueva, Unsplash
Beyond Availability
-Okapi, what do you think of the end-of-year festivities?
-Do you mean Christmas?
-Yes, also St Martin's Day and Thanksgiving... and of course Christmas.
-I don't understand the question! Okapi says.
-You hear Christmas carols everywhere and see Christmas decorations, but it's all about marketing. And animals are eaten for it.
Okapi sighs. -You know, there's the ‘tradition’! In many cultures, the slaughter of animals was a central part of festivals or rituals instituted by ancestors. Repeating these rituals is seen as an act of respect for traditions.
-May be. But I have a problem with that. Firstly, I myself could be classed as edible at any time... Zebra looks around. -The coast seems to be clear, it says.
-And secondly? Okapi asks, nibbling on an elongated leaf.
-Secondly, these traditions and rituals were always invented by humans for humans. Animals are only a means to an end - be it for food, symbolic sacrifice or cultural identity. I simply lack the consideration of how an animal ‘experiences’ this situation.
-Indeed. The suffering of animals in such rituals is often dismissed as a ‘necessary evil’ or even romanticised by portraying it as a sacrifice with spiritual significance.
-This again shows that sapiens sapiens is a deeply irrational being. It claims to be guided by logic and rationally arrived at knowledge - but it deviates from this at every opportunity. It is well researched that not only humans consciously perceive and experience their own lives. In the same way, animals are subjects of their own lives. And not objects to be treated at will.
-The denial of the other subject position arises, in addition to mere ignorance, from the fear of a reaction! interjects Okapi.
-What are you trying to say? -Zebra asks.
-What would happen if everyone who is treated badly had the floor and the opportunity to speak out? So it's easier to keep them in a subordinate position. Just as other people have been - and still are! - who, like animals, are then not regarded as fully-fledged persons. They are deprived of their basic right to life in integrity because they have no subject status.
-So you mean that if a living being is recognised as the subject of its own life, the way it is treated changes? Zebra looks thoughtful.
-Inevitably! Look - it may have been a long struggle for the various women's movements, but they made it clear that they are - and always have been, of course - subjects with their own will and ideas. They managed to get women to vote, to study, to work...
-Not everywhere! Zebra points out. - And there is also a backlash!
-That's true. But they continue to fight for it. It's absurd enough to have to fight for it. But back to the animals that don't want to be eaten.
-Very much so! Let me summarise: From a modern ethical perspective, it is difficult to see how killing an animal can be argued when it is common knowledge that animals are sentient beings with a claim on their own lives. The killing traditions therefore not only contradict the state of science, but also the aspiration of many people to lead a conscious and empathetic life.
-But what else can you eat then? Okapi asks hypocritically.
They both laugh.
Comments