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AutorenbildDeborah Sengl

„Coro(h)na“ – warum Distanzlosigkeit uns nun zur Isolation zwingt

Aktualisiert: 16. März 2021

Gastbeitrag der Künstlerin Deborah Sengl



Hätte vor einem Jahr irgendjemand daran geglaubt, dass ein Virus die ganze Welt auf den Kopf stellen wird? Wahrscheinlich nicht.


Pandemien begleiten die Menschheit seit langem und haben in den letzten Jahrhunderten mehrere Millionen Tote gefordert. Zumeist wurden diese früher oder später, dank medizinischer bzw. forschungstechnischer Höchstleistungen, erfolgreich in den Griff bekommen. Sehr wohl bin ich keine Expertin, aber ich frage mich, ob wir uns vielleicht zu wenig auf die Ursachen und uns ausschließlich auf die Bekämpfung dieser konzentriert haben. Hätte uns beispielsweise nicht schon die SARS-Pandemie im Jahre 2003 ein deutliches Warnsignal sein müssen?


Ein Großteil der Menschheit, als selbsternannte Krönung der Schöpfungsgeschichte, hat den nötigen Respekt vor der Natur und den Lebewesen schon lange verloren. Wir dringen in Territorien ein, die uns nicht eigen sind. In unserer unersättlichen Gier sind wir davon getrieben, die Welt zu beherrschen und nach unseren Vorstellungen (neu) zu gestalten. Wir nehmen uns, was und wie es uns gefällt. Es wäre davon mehr als genug aufzuzählen, aber dieser Text will kein Umweltschutz-Manifest sein. Dass SARS-CoV-2 auf die nicht artengerechte Haltung bzw. den Missbrauch von Wildtieren zurückzuführen ist, scheint zumindest sehr wahrscheinlich und recht nachvollziehbar zu sein.


Wird unsere gedankenlose und egoistische Distanzlosigkeit nun dafür bestraft? Das klingt schon etwas pathetisch, aber ist es nicht merkwürdig, dass wir nun diese Zwangsisolation bzw. soziale Gefangenschaft durchleben müssen, die wir ungeniert so manchen Lebewesen zugemutet haben? Ich wünsche mir, wie alle, eine möglichst rasche Behandlungsmethode sowie eine Impfung gegen diesen beängstigenden Virus. Noch mehr erhoffe ich mir, dass wir daraus nachhaltig lernen. Wenn wir dort weitermachen, wo wir vor der aktuellen Pandemie aufgehört haben, werden wir uns in ein paar Jahren womöglich, in Anbetracht noch bedrohlicherer Krankheiten, Corona zurückwünschen.


Als positive Zweckpessimistin denke ich, dass es generell noch nicht zu spät ist, aus dieser sehr belastenden Zeit die richtigen Konsequenzen zu ziehen. Allerdings ist das Ausmaß an Einbußen ebenso erschütternd wie besorgniserregend. Als bildende Künstlerin kann ich meiner Arbeit mehr oder weniger in gewohnter Form nachgehen. Das sehe ich als Privileg und gibt mir außerdem die Möglichkeit, meinen Gefühlen und Eindrücken künstlerisch ein Ventil zu geben. Unzählige Menschen stehen nicht nur vor einem finanziellen Scherbenhaufen sondern auch vor der unerträglichen Situation, ihre Arbeit schlicht nicht ausüben zu können bzw. zu dürfen.


Abschließend denke ich, dass neben dieser unglaublichen wirtschaftlichen Tragödie, die psychischen Auswirkungen dieser Pandemie zwar unsichtbar aber nicht minder dramatisch sind. Die soziale Isolation und die empfohlene Distanz zu unseren Freunden, Bekannten und Verwandten sind für uns alle enorm herausfordernd. Ein Großteil wird die Nähe, zum Glück, in Zukunft nachholen können. Doch was ist mit den alten, am Lebensabend angekommenen, Menschen? Sie werden in Heimen, zu ihrer vermeintlichen Sicherheit, von ihren Angehörigen und Liebsten isoliert. Der medizinische Schutz ist wichtig, das ist klar. Wie viele von ihnen sind aber in den letzten Monaten (an unterschiedlichsten Krankheiten) gestorben, ohne die Möglichkeit gehabt zu haben, sich von den Menschen zu verabschieden, die sie vielleicht ein Leben lang begleitet haben? Wie ist es für die Angehörigen, ihre Mütter, Väter, Großeltern, Freunde nicht mehr gesehen zu haben, sie nicht noch ein letztes Mal berührt haben zu dürfen? Ich verbringe den nun zweiten Lockdown mit bzw. neben meinen Eltern. Gerade diese intensive gemeinsame Zeit veranschaulicht mir, wie wichtig die physische Nähe zu geliebten Menschen ist. Hoffentlich ist dieses wertvollste Gut bald wieder für alle selbstverständlich...



Website der Künstlerin: http://www.deborahsengl.com/


Credit: Deborah Sengl


"Coro(h)na" - why lack of distance now forces us to isolate ourselves


Guest Entry by artist Deborah Sengl


Is there anyone who had believed, one year ago, that a virus were to turn the whole world upside down? Probably not.


Pandemics have accompanied mankind for a long time, being the cause of several million deaths in the last centuries. Thanks to medical achievements or research, sooner or later these were, in most cases, successfully brought under control. I am certainly not an expert, but I do wonder whether we have perhaps focused too little on the causes and only on combating them. Shouldn't, for example, the SARS pandemic in 2003 have been taken as an obvious warning signal?


A large part of humanity, as the self-proclaimed coronation of creation, has long since lost the necessary respect for nature and living beings. We are invading territories that are not ours. In our insatiable greed we are driven to dominate the world and to (re)design it according to our own ideas. We take what we want and as much as we please. It would be more than enough to fill a list, but this text does not aim to be an environmental manifesto. To say the least, that SARS-CoV-2 is due to the improper keeping or abuse of wild animals seems very likely and quite comprehensible.


Will our thoughtlessness and selfish lack of distance receive punishment? Even if this sounds a bit pathetic, isn't it strange that we now have to live through this forced isolation or social imprisonment, which we have unabashedly imposed on many a living being? Like everyone else, I would like to see the fastest possible treatment and vaccination against this frightening virus. Even more I hope that we will be able to learn from this in the long term. If we continue where we left off before the current pandemic, we may well wish for Corona back in a few years, in the face of even more threatening diseases.


As a positively purposeful pessimist, I think that generally it is not too late to draw the right conclusions from this very stressful time. However, the extent of the losses is as shocking as it is worrying. Being a visual artist, I can pursue my work more or less in my usual way. I see this as a privilege which also presents to me the opportunity for giving an artistic valve to feelings and impressions. Countless people are not only faced with a pile of shambles financially, but also with the unbearable situation of simply not being able or allowed to do their work.


Finally, I think that besides an incredible economic tragedy, the psychological consequences of this pandemic are invisible but no less dramatic. Social isolation and recommended distance to our friends, acquaintances and relatives are an enormous challenge for all of us. Fortunately, a large part of us will be able to share proximity again in the future. But what about the old people who have reached the end of their lives? They are isolated from their relatives and loved ones, supposedly for their safety, in homes for the elderly. There is no doubt that medical protection is important. Yet, how many of them have died in recent months (of various illnesses) without having had the opportunity to say a last goodbye to the people who have accompanied them throughout their lives? What does it mean for the relatives, not to have seen their mothers, fathers, grandparents, friends again? Not to have been allowed to touch them one last time? I am spending the period of the second lockdown close to my parents. This intensive time together illustrates to me the importance of physical closeness to loved ones. Hopefully this most valuable asset can soon again be taken for granted by everyone ...


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