Jedesmal wenn ich an der großen eingezäunten Wiese vorbeikomme, schaue ich nach den Gänsen und dem Schaf, die dort wohnen. Zum 11. November hatte ich schon Angst davor, dass vielleicht keine Gänse mehr da sind. Und dass mich die Traurigkeit darüber einholt. Denn „man“ ißt am Martinstag Gans. Eine „Tradition“: die eigenartige Vorstellung, dass für adäquate Feiern immer jemand anderer sein Leben lassen müsse. Glücklicherweise waren aber alle, Gänse und Schaf, noch da! Ich wüsste gerne, wie sie kommunizieren, und um was es dabei gehen könnte. Ich wünsche ihnen und mir, dass sie nicht in die Lage kommen, davon sprechen zu müssen, dass eine/r von ihnen fehlt. Vielleicht warnen sie sich gegenseitig wenn eine Bedrohung bevorsteht? So wie der Eichelhäher andere WaldbewohnerInnen vor spazierenden Menschen oder gefährlich kreisenden Greifvögeln warnt? Präriehunde haben ein ganzes Warnrufsystem, mit denen sie Informationen weitergeben. Darin enthalten sind Details über die Farbe des T-Shirts- bei menschlicher Annäherung - oder die Geschwindigkeit, schreibt Eva Meijer in ihrem wunderbaren Buch „When Animals Speak“.
Okapi schlägt mit dem gestreiften Schweif und ruft: -He Zebra, ich muss Dich was fragen!“ Zebra fährt ein Ohr nach vorne. -Start talking. -Feierst Du Weihnachten? Und wenn, sollte es nicht ein Fest der Liebe sein? -So wird es oft behauptet, stimmt Zebra zu. -Ok, ich pitche hier kurz, wie ich das verstanden haben will: Die kommenden Festtage kreisen um das Fest der Liebe und des wiederkehrenden Lichtes. Liebe schließt alle ein – alle Lebensformen, Arten und Größen: Es handelt sich um eine Haltung, die dem Leben in all seinen Ausdrucksformen zugewandt ist, egal welches Fell das Wesen hat, welche Haut- oder Haarfarbe, welches Geschlecht und welche Sprache – und ob ich sie verstehen kann. Liebe ist also ein anderer Ausdruck für eine Offenheit, die Vielfalt begrüßt. -Klingt schön, Du bist poetisch begabt, sagt Zebra mit einem Nicken. Okapi verneigt sich knapp.
Vorgestern bin ich wieder dort vorbeigekommen und sie sind immer noch alle da. Ein Glück, denn Weihnachten hat für manche eine weitere dieser gewalttätigen „Traditionen“ - fast als wäre es wichtig, als Mensch seine Macht zu demonstrieren. Dass alle noch da sind, nehme ich jetzt mal als gutes Zeichen. Die anhaltende Krise inspiriert manche, umzudenken. In der erzwungenen Rückzugsphase entstehen Überlegungen und die Sehnsucht nach mehr Möglichkeiten des Austausches. Es gibt die Chance, sich berühren zu lassen. Und den Wunsch, dass alle Lebewesen glücklich sein mögen.
Eva Meijer's When animals speak
Foto von Annika Thierfeld von Pexels
Future loves you
Every time I pass the big fenced meadow, I look for the geese and the sheep that live there. By November 11, I was already afraid that there might not be any geese left. And that the sadness about it would catch up with me. Because "one" eats goose on St. Martin's Day. A "tradition": the strange idea that for adequate celebrations always someone else had to give his life. Fortunately, however, all, geese and sheep, were still there! I would like to know how they communicate, and what it could be about. I wish they and I would not be in the position of having to talk about one of them being missing. Maybe they warn each other when a threat is imminent? Just as the jay warns other forest dwellers of strolling humans or dangerously circling birds of prey? Prairie dogs have an entire warning call system that they use to relay information. This includes details about the color of their T-shirt -at human approach- or their speed, writes Eva Meijer in her wonderful book, "When Animals Speak."
Okapi flaps its striped tail and calls out, -Hey Zebra, I need to ask you something! Zebra raises an ear. -Start talking. -Do you celebrate Christmas? And if you do, shouldn't it be a celebration of love? -That's how it's often said, Zebra agrees. -Okay, I'll pitch here briefly how I want it understood: the coming holidays revolve around the celebration of love and returning light. Love is shown in an attitude turned toward life and includes everyone – all shapes and sizes: it is an attitude turned toward life in all its expressions, no matter what coat, what fur the being has, what color skin or hair, what language – and whether I can understand it, and what gender. So love is another expression of an openness that welcomes diversity. -Sounds beautiful, you are poetically gifted, Zebra says with a nod. Okapi bows curtly.
I passed by there again the day before yesterday and they are all still there. It's lucky, because Christmas has another one of those violent "traditions" for some - almost as if it's important to demonstrate your power as a human being. That they're all still around, I'll take as a good sign now. The ongoing crisis inspires some to rethink. In the forced retreat, reflections and the longing for more possibilities of exchange arise. There is the chance to be touched. And the wish that all living beings may be happy.
Eva Meijers When animals speak
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