Begegnungen mit anderen Tieren können vielerlei Gestalten annehmen. Eine Auswahl aus Beobachtungen, Begegnungen und Gedankenspielen stellt Susanne Opfermann, Amerikanistikprofessorin in Frankfurt, in ihrem Buch vor. Perspektiven der Literatur, der Verhaltensforschung, Philosophie und Science-Fiction machen einen übergroßen, oft verheißungsvoll optimistischen Raum auf. Aber auch einiges Schauerliches ist dabei. In mehreren Blogbeiträgen werden hier einzelne Kapitel dieses inspirierenden Buches vorgestellt. Oder auch, wie manche sagen, angeteasert.
Okapi schlägt das Buch auf Seite 53 auf. -Es geht um „Begegnungen mit dem Bewusstsein von Tieren.“
Zebra lacht. -Was für eine lange Leitung Sapiens sapiens doch hat. Das kann doch unmöglich was Neues sein.
Okapi winkt ab. -Es ist schon oft gesagt, aber eben noch nicht genug verstanden. Also unterbrich mich nicht. Dramatis personae: Barbara Smuts, Verhaltensforscherin und Autorin des vorgestellten Texts; Paviane, es sind zu viele, um sie hier alle einzeln aufzuzählen; Safi, ein Hund; ein nicht namentlich genanntes Eichhörnchen, ebenso ein Löwe, inkognito.
Zebra macht eine abwehrende Geste. -Langsam, eins nach dem anderen. Beginnen wir mit den Pavianen!
Besonders eindrucksvoll ist die direkte Begegnung mit Tieren im zauberisch anmutenden Reich der Natur: wenn man auf andere Tiere trifft und sie dort kennenlernt, wo sie leben. Barbara Smuts hat sich für ihre Erkundungen in die Weiten Tansanias begeben, um in behutsamer Annäherung mehr über die dort lebenden Paviane zu erfahren. Die Psychologin findet, dass das Kennenlernen sich eigentlich genauso ab spielt wie immer. Also wie wenn man auf eine neue Gruppe von Menschen trifft, sei es auf einer Reise etwa, oder in Arbeitszusammenhängen, oder auf einer Party: man nimmt einander wahr, erst aus der Ferne. In dieser Phase ignoriert man einander auch noch oft, bis die zunächst vielleicht gebotene Vorsicht abfällt und einem neugierigen Interesse Platz macht.
Die Forscherin schafft es, von den Pavianen als ungefährliches Subjekt wahrnehmbar zu werden – anders als in wissenschaftlichen Empfehlungen. In denen heißt es oft, man solle so tun als sei man nicht da – als würden die Tiere einen dann nicht bemerken. Was die Forscherin erlebt, ist das Gegenteil. Sie wird als Besucherin nur deswegen akzeptiert, weil sie sich als Wesen wahrnehmbar macht. Nachdem sie sich zunächst geduldig in der Entfernung gehalten hat, verringert sie langsam die Distanz. Währenddessen bemüht sie sich um das Vertrauen der Tiere, sie ändert ihre Art zu gehen und zu sitzen, die ganze Körperhaltung. Und auch die Art zu schauen und Laute zu äußern. Als sie spürt, dass die Affen dies akzeptieren, beginnt sie, mit ihnen – einer Gruppe von 135 Tieren - durch ein riesiges Territorium von ungefähr 70km2 zu ziehen. Macht Pausen, hält ein Schläfchen, wenn die anderen es tun. In der Früh schließt sie sich den Affen an, abends kehrt sie zu den Menschen zurück. „Ich spürte die Stimmung der Gruppe, sobald ich morgens ankam. Ich wusste normalerweise, ob wir an diesem Tag eine längere oder kürzere Strecke zurücklegen würden. Oft ahnte ich schon im Voraus, wo genau wir hingehen würden, ohne dass ich gewusst hätte, woher diese Ahnung kam.“
Einmal schläft sie länger als die anderen Paviane und glaubt sich allein auf weiter Flur, da merkt sie, dass einer der jungen Paviane auf sie gewartet und sie im Schlaf bewacht hat. Barbara Smuts beschreibt die mit den Affen gemeinsam verbrachte Zeit als erfüllt, es bleibt unsagbar, wie tief die Erfahrung der Verbundenheit durch das einfache Da-Sein, die Präsenz sie berührt. Jeden Abend verlässt sie die Paviane, um bei den anderen ForscherInnen zu übernachten, und allein dieses Weggehen erfüllt sie mit einem Verlustgefühl, einer Art Leere, wie sie schreibt. „Während ich mit den Pavianen lebte, zurückgeworfen war in die wilde Welt, aus der wir hervorgegangen sind, entdeckte ich, dass uralte Fähigkeiten wieder lebendig werden und sich menschliches und tierliches Denken einmal mehr auf gleicher Ebene begegnen.“ Die Sprache, in der sie das Unsagbare der Verbindung, der nonverbalen Kommunikation darstellt, ist von einfühlsamer Zurückhaltung geprägt, womit sie auf das Essenzielle einer Verbundenheit zu anderen lebendigen Wesen verweist. Ein Selbst erscheint. Die subjektive Identität vermischt sich mit den anderen.
-Das klingt ein bisschen abgehoben, das musst du zugeben, seufzt Zebra.
-Tatsächlich, aber das macht es nicht weniger wahr, erwidert Okapi.
https://neofelis-verlag.de/verlagsprogramm/literatur-theatertexte/literatur/1057/begegnungen-mit-anderen-tieren
Barbara Smuts: Begegnungen mit dem Bewusstsein von Tieren. Original: Encounters with Animal Minds. In: Journal of Consciousness Studies 8.
© Charl Folscher, Unsplash
How to become a baboon
Encounters with other animals can take many forms. Susanne Opfermann, professor of American studies in Frankfurt, presents a selection of observations, encounters, and thought experiments in her book. Perspectives of literature, behavioral research, philosophy and science fiction open up an oversized, often promisingly optimistic space. But there is also some gruesome stuff. Several blog posts here will introduce individual chapters of this inspiring book. Or let it be a teaser.
Okapi opens the book on page 53. -It's about "Encounters with Animal Minds”
Zebra laughs. -Sapiens sapiens is really slow to catch on. This can't possibly be anything new.
Okapi waves it off. -It's been said many times before, but just not understood enough. So don't interrupt me. Dramatis personae: Barbara Smuts, behavioral scientist and author of the presented text; baboons, there are too many to list them all individually here; Safi, a dog; a squirrel not named, also a lion, incognito.
Zebra makes a dismissive gesture. -Slowly, one by one. Let's start with the baboons!
Direct encounters with animals in the magical realm of nature are particularly impressive: when you meet other animals and get to know them where they live. Barbara Smuts went to the far reaches of Tanzania for her explorations in order to learn more about the baboons living there in a cautious approach. She is a psychologist and behavioral scientist and finds that getting to know them actually plays out just like it always does. It's like when you meet a new group of people, whether it's on a trip, or in a work context, or at a party: you notice each other, but only from a distance. In this phase, people often ignore each other until the caution that may have been necessary at first gives way to a curious interest.
The researcher manages to be perceived by the baboons as a harmless subject - unlike in scientific recommendations. These often say that you should pretend you are not there - as if in that case the animals wouldn’t notice you. What the researcher experiences is the opposite. She is accepted as a visitor only because she makes herself perceptible as a creature. After patiently keeping aloof at first, she slowly decreases the distance. In the meantime, she tries to gain the trust of the animals, she changes her way of walking and sitting, the whole posture. And also her way of looking and uttering sounds. When she feels that the monkeys accept this, she begins to move with them - a group of 135 animals - through a huge territory of about 70km2. Takes breaks, naps when the others do. In the morning she joins the monkeys, in the evening she returns to the humans. "I sensed the mood of the group as soon as I arrived in the morning. I usually knew if we were going to cover a longer or shorter distance that day. Often, I had an inkling of exactly where we were going ahead of time, without knowing where that inkling came from."
At one point, she slept longer than the other baboons and thought she was alone in the open, when she realized that one of the young baboons had been waiting for her and guarding her while she slept. Barbara Smuts describes the time spent together with the monkeys as fulfilling, it remains unspeakable how deeply the experience of connectedness through simply being there, the presence touches her. Every evening she leaves the baboons to spend the night with the other researchers, and this leaving alone fills her with a sense of loss, a kind of emptiness, as she writes. "While living with the baboons, thrown back into the wild world from which we emerged, I discovered that ancient capacities come alive again, and human and animal thought once more meet on the same plane." The language in which she depicts the ineffable of connection, of nonverbal communication, is one of empathetic restraint, pointing to the essential of a connectedness to other living beings. A self appears. Subjective identity blends with others.
-That sounds a bit occult, at least detached, you have to admit, sighs Zebra.
-Indeed, but that doesn't make it any less true, Okapi replies.
https://neofelis-verlag.de/verlagsprogramm/literatur-theatertexte/literatur/1057/begegnungen-mit-anderen-tieren
Barbara Smuts: Encounters with Animal Minds. In: Journal of Consciousness Studies 8.
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